Wittenberg hat schon lange viel zu bieten. Doch während der großen und langjährigen Stadtgeschichte blieben auch einige verlassene Überbleibsel übrig.
In unserer Serie „Verlassenes Wittenberg” informieren über solche Orte – sogenannte LostPlaces. Um zwei asbestverseuchte Plattenbauten, wo die Kreisverwaltung und ein Lehrlingswohnheim der VEB Kombinat Agrochemie (heute Stickstoffwerke Piesteritz) war informierten wir bereits.
Dieses Mal geht es um eine renommierte Schokoladenfabrik, wo viele Menschen früher arbeiteten – heute ist es ein verlassener mächtiger Gebäudekomplex.
An der Bundesstraße Richtung Coswig ist das Gebäude nahezu nicht zu übersehen. Wo heute WIKANA-Kekse zu haben sind, produzierte die Kant Chocoladenfabrik AG einst Schokoladen- und Kakaoerzeugnisse, später auch Kunsthonig, Haferflocken, Kaffee Ersatz, Nudeln und Bonbons.

Die Firma wurde 1886 in Hamburg als “AG für automatischen Verkauf” gegründet, da man dort leicht an den Hauptrohstoff Kakao kam. Im Jahr 1902 verlegte man den Firmensitz nach Berlin und startete die Inbetriebnahme der Schokoladenfabrik.
1922/23 wechselte man an den Elbhafen nach Wittenberg. Kakao kam direkt aus Hamburg über die Elbe. Großaktionär der AG war beispielsweise die Zuckerfabrik Rabbethge & Giesecke in Klein-Wanzleben bei Magdeburg (heute die KWS SAAT SE & Co. KGaA mit Sitz in Einbeck).

1939 wird keine Schokolade mehr produziert. Der Hauptstoff Kakao kann nicht mehr über die Elbe nach Wittenberg transportiert werden. Es beginnt folgend im September die Vorbereitung auf die Kriegsproduktionen des zweiten Weltkriegs. Große Teile der Maschinen werden nach Tangermünde ausgelagert und die Mitarbeiter werden aufgeteilt zur „Wasag Sprengstoff AG“ und zu den „Arado-Flugzeug-Werken“. Bis 1945 wird Rüstungsproduktion für die Arado Flugzeugwerke betrieben. Neben der Produktion von den Arado-Flugzeuge der Typen Ar 95, 96 und 234 (erster strahlgetriebener Bomber der Welt) wurden auch Rümpfe und Tragflächen für Heinkel, Focke-Wulf und Junkers gefertigt.

Nach Kriegsende 1945 nimmt die Firma unter dem Namen „Kant“ wieder die Produktion auf. Es fehlte jedoch an den teuren Ausgangsstoffen, weshalb keine Schokolade mehr hergestellt wurde. Die Firma geriet mit Kunsthonig, Haferflocken, Kaffee Ersatz und Nudeln wieder in den Supermarkt. Ende der 40er Jahre nahm man dann auch wieder die Produktion von Süßwaren, wie Bonbons, Fondants, Geleeerzeugnissen, Lakritzeartikel und Schaumzuckerwaren auf.
1953 wurde der Betrieb in Ost-Deutschland enteignet und zusammen mit Nadena am 14.4.1953 zur „VEB Süßwarenfabrik Nadena Kant“ zusammengeschlossen. Aus den Anfangsbuchstaben von (Wi)ttenberg, (Ka)nt und (Na)dena wird 1954 der neue Name „VEB Wikana Süß- und Dauerbackwarenfabrik“.
Ab 1970 waren im Rahmen der zentralen Leitung und Lenkung der sozialistischen Produktion der DDR nur noch Dauerbackwaren im Programm. 1989 zählten zum Betrieb Wikana 500 Mitarbeiter. Im Jahr darauf kaufte ein Westdeutscher Wikana. Nach nur sechs Monaten war der Betrieb am Ende mit gerade noch 150 Mitarbeitern und die namhaften bundesdeutschen Kekshersteller hatten kein Interesse.

Nach der Wende stand Wikana kurz vor dem Aus. Die Treuhandanstalt hatte bereits die Liquidation, des jetzt als GmbH geführten VEB beschlossen, als Wolfgang Fischer das Unternehmen am 15.8.1992 privatisierte und übernahm. Seit dem 1. Januar 1998 lautet der Firmenname Wikana Keks und Nahrungsmittel GmbH.