Erneut beschäftigt die Wittenberger „Judensau“ ein Gericht, denn am Dienstag, dem 14. Juni 2022 entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) darüber, ob das mittelalterliche Sandsteinrelief „Judensau“ in Wittenberg an der Stadtkirche entfernt werden muss oder bleiben darf.
An der Fassade der Wittenberger Stadtkirche St. Marien prangt in etwa vier Metern Höhe ein mittelalterliches Sandsteinrelief: Es zeigt eine als Rabbiner karikierte Figur, die den Schwanz eines Schweins anhebt und das im Judentum als unrein geltende Tier von hinten betrachtet. Zwei weitere als Juden gezeigte Figuren saugen an den Zitzen. Eine vierte Figur hält Ferkel von der Muttersau fern. Die dargestellte „Judensau“ war im Hochmittelalter ein häufig benutztes Bildmotiv der antijudaistischen christlichen Kunst, um Juden zu verhöhnen und zu demütigen.
Der Kläger hatte gegen ein Urteil des Oberlandesgerichtes Naumburg (OLG) vom Februar 2020 Revision eingelegt. Demnach muss das Relief nicht beseitigt werden, weil es seit 1988 in ein Gedenkensemble eingebunden ist. Auf einem Mahnmal befindet sich unter anderem ein Erklär-Text, in dem sich die Gemeinde von der Skulptur distanziert.
Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte zunächst im Mai 2019 die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hatte die darauffolgende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Das öffentlich sichtbare Relief verwirkliche weder den Tatbestand der Beleidigung, noch verletze es das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers, hieß es beim OLG.
Zwar habe das Relief ursprünglich dazu gedient, Juden verächtlich zu machen, zu verhöhnen und herabzuwürdigen. Inzwischen sei es aber Teil eines nicht zu übersehenden Ensembles von Exponaten zu der beanstandeten Schmähplastik.
Jetzt entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe darüber, ob die antijüdische Skulptur aus dem 13. Jahrhundert von der Fassade der evangelischen Stadtkirche entfernt werden muss. 2020 hatte das Oberlandesgericht Naumburg die Klage von Michael Düllmann abgewiesen, der jüdische Kläger kämpft trotz dessen seit 2018 gerichtlich für die Entfernung der Schmähskulptur, weil er sie als Beleidigung empfindet.